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Spezialisierte Handgriffe

(Interview)

Vor gut zwei Jahren haben Sie das Reiseunternehmen Carnipaths ins Leben gerufen. Mittlerweile ist es sehr erfolgreich. Wollen Sie bitte kurz Ihre Geschäftsidee umreißen?
Ich drücke es gerne so aus: Die Idee von Carnipaths ist simpel, aber umso genialer. Kosten kosten, nicht blechen. Unser Erfolg gründet sich im Prinzip auf das Zusammentreffen dreierlei Umstände, die sich in letzten Jahrzehnten aufeinander aufbauend entwickelt haben, und deren wirtschaftlichen Erfolg man als beispiellos bezeichnen könnte.
Erstens und grundlegend: die völlige und weltweite Öffnung des globalisierten Marktes. Zweitens: die Möglichkeit der Arbeitsteilung bei der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch, in viele kleinere Abläufe, in spezialisierte Handgriffe, an den, aus geografischen und/oder ökonomischen Blickpunkten ermittelten, herausragenden Standorten, über den ganzen Globus verteilt. Ermöglicht durch die Minimalisierung der Transportkosten durch globalisierte Massenproduktion. Drittens: Minimalisierung der Verbraucherpreise durch high-end Effektivität und durch die Nutzung der jeweils wirtschaftlichsten Standorte. Beides wird unaufhörlich weiter verfeinert und entwickelt sich kontinuierlich. So wie es von der Schlachtung bis zum Schinken ursprünglich ein einziger Arbeitsgang war, wohl in der Steinzeit, handelt es sich derzeit, natürlich in Abhängigkeit zu dem jeweiligen Endprodukt, um 30 bis zu 50 verschiedene Arbeitsschritte an bis zu 20 verschiedenen spezialisierten Standorten: „effektiven Stationen“.
Die klassische Arbeitsteilung wird vollkommen neu definiert und in neue Maßstäbe gesetzt. Ein Partner aus der Lebensmittelverarbeitung formulierte es einmal so: Früher kam der Apostel zum Berg, heute kommt der Berg zum Apostel. Verstehen Sie? Früher führte man den Salzstreuer zum Frühstücksei, heute legen wir Frühstückseier in das Salzfass. Die Henne sitzt im Salzfass. Wir fahren direkt vor das Weizenfeld. Das Produkt reist um die Welt und holt sich seine jeweiligen Zutaten ab, dort, wo sie am günstigsten sind. Diese neuen Möglichkeiten führen zu einer für den Laien - bedenkt man die enormen Transportwege, die natürlich mit umweltschonenden und nachhaltigen Fahrzeugen zurückgelegt werden- überraschenden, aber dennoch umso massiveren Kostenreduzierung.
Bedenkt man die Kostenreduzierung für die jeweiligen Endprodukte, trotz oder gerade wegen der immer komplexisierten und globalisierten Verfahren, in Folge der effizienten Nutzung der effektiven Stationen, lässt sich diese Entwicklung doch durchaus als außerordentlich bezeichnen.
Nun hat diese seit einigen Jahren stetige Verbilligung der Nahrungsmittel bei den Verbrauchern nicht nur rein positive Reaktionen ausgelöst, geht diese Kostenreduzierung doch einher mit einer allgegenwärtigen Verunsicherung, hervorgerufen durch die Unübersichtlichkeit der, wie Sie schon sagten, langen und verschlungenen Wege, die ein solches Lebensmittel im Laufe seines Verarbeitungsprozesses durchläuft.
Genau, und hier haben wir angesetzt. Genau diese Disposition beschreibt unseren Ausgangspunkt. Wie viele geniale Ideen schlägt auch die unsere zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Idee das Fleisch auf seinen langen verschlungenen Pfaden zu begleiten, hatten zuerst eine Handvoll Aktivisten. Unter ihnen mein jetziger Geschäftspartner x. Die Aktivisten hafteten sich für den gesamten Herstellungsprozess eines Produkts, ich glaube es war eine Art Nudelauflauf, das Logo von Carnipaths zeigt ja auch ein Wappen mit zwei abstrahierten Spagetti – Mein Geschäftspartner x, damals Aktivist, haftete sich also an die Fersen dieser Speise, bzw. der Herstellung dieser Speise, und diese Reise hinterließ einen unvergesslichen Eindruck auf ihn. Und nicht nur auf ihn, das Nahrungsmittel, der Gegenstand der Observierung durch die Aktivisten, verlor für die gesamte Gruppe von immerhin acht Männern und Frauen zusehends an Bedeutung, rückte aus dem Fokus angesichts der ungeheuren Eindrücke der Reise.
Welcher Gestalt waren denn die Eindrücke?
Die Landschaft, die fremden Städte, die Reise über das Land, über Länder, mit Aufenthalten in x Städten, die vielen Stationen, - natürlich habe ich selber inzwischen auch einige Reisen mit Carnipaths unternommen. Und ich sage Ihnen, es ist wirklich unvergleichlich, an welche Orte sie mit Carnipaths gelangen, was sie alles sehen, erleben. Die Aktivisten damals waren nun wirklich auf vieles vorbereitet, aber nicht darauf, nicht auf so etwas.
Also hat ihr Partner sein Aktivistendasein beendet und mit Ihnen Carnipaths gegründet. Ein Unternehmen, dessen Erfolg quasi auf dem Anstoß seines Protestes beruht – er ist zur Gegenseite übergelaufen? Kann man das so ausdrücken?
Nun, wie Sie das ausdrücken, klingt es polemisch. Aber in der Tat, nach seiner Rückkehr brauchte er etwas Zeit, um seine Gedanken zu ordnen und um die vielen Eindrücke zu verarbeiten, aber dann ging es doch recht schnell.
Um auf die zwei Fliegen zurückzukommen, die Carnipaths, wie viele andere geniale Geschäftsideen auch, mit einer Klappe schlägt. Carnipaths sorgt neben dem Angebot von unvergesslichen Reisen und einmaligen Erlebnissen ganz nebenbei für erheblich mehr Transparenz.
Ich möchte trotzdem noch einmal nachfragen: Was ist Carnipaths ganz genau, was für Reisen verkaufen Sie?
Reisen um die ganze Welt, nahezu kostenfrei. - Kosten kosten, nicht blechen - Reisen, billiger als telefonieren. Unser Angebot richtet sich natürlich an alle Menschen, insbesondere sprechen wir aber die Konsumenten der jeweiligen Lebensmittel an. Also Vertreter der unteren Einkommensschichten, die ja mittlerer Weile zu den gebildeteren im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung zählen, werden bewusst angesprochen. Der Konsum der jeweiligen Lebensmittel ermöglicht dann eine annährend kostenfreie Reise um die Welt.
Auf der Fährte des Fleisches sozusagen, beziehungsweise des jeweiligen Produktes -
Ganz genau. Als Unternehmen ist Carnipaths einzigartig, weil es die moderne Lebensmittelverarbeitung als auch den Konsum mit einer Form von Tourismus verbindet, die wir als besonders nachhaltig einstufen.
Aber wenn ich einmal ganz direkt fragen darf: Als Carnipaths Tourist reist man nicht auf einem Kühllaster oder mit einem Kilo Hack auf dem Schoß?
Ach was! Wie gesagt: Vor zwei Jahren haben wir gestartet mit der sogenannten Nudelroute, die von Georgien über Indien, Aserbaidschan, mit einem kurzen Aufenthalt in England bis in die Vereinigten Emirate führt, und dann über Holland und Dänemark zurück nach Deutschland.
Das erste halbe Jahr nach der Gründung von Carnipaths sind wir einfach nur die gleichen Routen gefahren, ohne eine direkte Anbindung an die Lebensmittel. Interessanterweise wurden wir von den jeweiligen Lebensmittelherstellern aber von Anfang an unterstützt, wir sind sozusagen offene Türen eingerannt. Es handelt sich quasi um eine Win-Win-Situation. Oder, bezieht man den Verbraucher und Touristen mit ein, um eine Win-Win-Win-Situation.
Eine Win-Win-Win-Win-Situation, wenn Sie sich und Ihren Partner getrennt berücksichtigen..
Ja, das klingt zwar wieder etwas zynisch, wie Sie sich ausdrücken, aber etwas Wahres ist durchaus dran. Eine entscheidende Wende für uns war die Ausstattung zweier Produktrouten durch eine Reihe völlig neuartiger Fahrzeuge: Sharemobile Fahrzeuge, betrieben mit Solarenergie natürlich, die wir inzwischen auf fast der gesamten Route nutzen können. Außer für den reinen Tiertransport am Anfang, da reisen wir noch individuell.
Was bedeutet Sharemobil genau? Was zeichnet diese Fahrzeuge aus?
Nun es handelt sich um eigens konstruierte Fahrzeuge, die jeweils entwickelt wurden, um eine spezialisierte Transport-Kombination aus Touristik-Beförderung und Lebensmittel-Fracht zu bedienen. Es ist tatsächlich sehr verblüffend, wie verschieden die Fahrzeuge voneinander sind. Sie werden jeweils ausschließlich für ein Arrangement hochspezifizierter Anforderungen entwickelt, die sie optimal erfüllen.
Ein Anforderungskatalog, der sich aus den sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Verarbeitungszustandes ergebenden Voraussetzungen ebenso zusammensetzt, wie er sich auch orientiert an den speziellen Bedürfnissen unseres Klientels, die sowohl von den jeweiligen Klimabedingungen, wie auch den landschaftlichen Gegeben- und Gepflogenheiten dependieren.
Könnte man also sagen, dass Sie von Carnipaths in Ihrer Allianz mit den Lebensmittelkonzernen die Interessenvertretung Ihres Klientels darstellen?
Sehen Sie, unser Klientel, die Touristen, die auf Kosten ihres Fleisches auf Weltreise gehen, das ist der kleine Mann, die kleine Frau, die in ihrem Leben vor Carnipaths nicht wirklich viel von der Welt zu sehen gekriegt haben. Und doch sind unsere Touristin und unser Tourist für den Hersteller des
jeweiligen Produktes die Endverbraucher, die Kunden, die Königinnen und König. Diejenigen, bei denen das, was auch immer, nach der langen Reise letztendlich auf dem Teller landet, Endstation Teller quasi.
Die Konsumenten begleiteten ihr Essen um die Welt und sind bei der Entstehung zugegen. Obschon, und das wäre vorsorglich hinzuzufügen, ein direkter Einblick in die Herstellung nicht möglich ist, aus Sicherheitsgründen, Gründen der Hygiene und unserer Unternehmensphilosophie. Kurz, unsere Touristin, unser Tourist ist zugleich Konsument, und, das möchte ich noch einmal betonen, steht hiermit im Zentrum eines dualen Bemühens.
Meine Meinung: Carnipaths schlägt weitaus mehr Fliegen mit einer Klappe, als die meisten Unternehmen. Eine Tatsache, die, wenn Sie mich fragen, an unserem überproportionalen Erfolg sichtbar wird.